Nächtliche Netzgedanken

die, die sonst am meisten schreien
heucheln schweigendes gedenken
und am meisten wird geschrien
von denen hinter masken
und nein, ich meine nicht
die masken gegen viren
anonym mit lauten bildern
ist die menschheit am verwildern
am kreuz wirft gott schon lange schatten
und man fragt sich, ob wir das
nicht alles irgendwann schon hatten.

MDO, November 2021

Fast Vollmond

Wolkenschatten wandern
über die leuchtende Fläche des Mondes
Fast voll ist er und zeigt am Himmel
seine ganze Unvollkommenheit

Wie rund er ist
und dass er Narben hat und Krater
und dann heißt es noch:
Ihm fehlt ein Teil

Und dass es Dinge gibt, die ihren
Schatten auf ihn werfen
dass er kein Licht hat ohne ihres
Nicht einmal drehen kann er sich

Doch dann sind da die zwei am Fenster
Rund und voll mit Narben und Leuten
die sagen: Da fehlt ein Teil
das Gott vergessen hat zum Segen

Sie sehen sich an und blicken auf
zum Mond und sie sagt ihm und
er sagt ihr und sie sagen dem Mond
„Wie schön du bist“.

MDO August 2021

Trügerische Idylle

In blühendem Strandflieder
liegt der Hase
und stirbt
Flauschige Küken piepen
ihre Verlassenheit
aus dem Gras
Vögel flattern am Himmel
trällernd, rufend
Ihre Stimmen ein helles
Verpiss dich

MDO/Mai 2021

Das bisschen Sonne

Das bisschen Sonne
vor dem Frost
vermag nicht recht zu wärmen

Die Zeit rast
und doch
steht noch so Vieles still

Das Herz wird matt
vor Sorge
um Menschen und Welt

Ein Trost ist mir
das Licht
das trotzdem scheint


(MDO Januar 2021)