Für einen Soldaten

Kein Stern ist zu sehen
Nur eine Wolke
legt sich
stumm und schwer
Auf graues Wasser
Watt atmet
aus tausend kleinen Wunden
Brodelndes Schweigen
im kalten Grund
In der Ferne
Berge und See
Der Himmel ist trüb
und voll feindlicher Flieger
Gott schütze Dich
Der Du fortgehst
zu Gräben und Gräbern
Wir sehen uns wohl
Nie wieder

Momentaufnahme, Drama

Und dann war es plötzlich wieder da, an einem dunstigen, gewittrig-feuchten Spätsommertag. Es sprang einen an wie ein irgendwo im Gesträuch lauerndes Tier, wild und gnadenlos, während sich eine riesige Gewitterwolke über dem Strand ballte, der bis vor wenigen Minuten noch zartblau überdacht worden war. 
Ich fühlte das Wegreißen des dünnen Schorfs wie durch einen kurzen Krallenhieb, zu schnell für irgendeine Reaktion; zu plötzlich, um gleich zu schmerzen. 
Der warme Regen fiel in ersten, dicken Tropfen. Weich, süß. Das Blut rann warm und zäh. 
Ich saß im Strandkorb und vermisste.

So lange nun schwieg er schon. Aber egal, wie unsere Freundschaft endete, dachte ich, während der Himmel auf den Sand weinte, du warst der beste Freund, den ich je hatte.
Ich dachte an seine treuen braunen Augen und daran, dass er mir nie das Gefühl gegeben hatte, irgendeine Mitleidsnummer zu sein oder ein Zeitvertreib. Und auch wenn wir gleichermaßen eloquent waren, gleichermaßen belesen, herrschte nie irgendein Wettbewerb zwischen uns. Im Gegenteil: Wir schenkten uns gegenseitig Worte wie andere Menschen sich Pralinen, Tausende von Seiten lang. Mehr als zwei Jahre lang. Jeden Tag.
Und nun ist da diese Stille und dieses Band, das nicht reißt. Seine Bücher in meinem Regal und die schöne Postkarte, die ich noch immer als Lesezeichen benutze.
Es ist wohl zu früh.

Doch mit dem Nachlassen des Regens verschwand auch das Vermissen. In kurzer, heftiger Anflug von Traurigkeit, dann war es wieder vorbei.
Er hat so viele Meere gesehen, denke ich, als ich mich aus dem Strandkorb erhebe, was nützt es, dass ich nun auf das meine starre und an ihn denke, immer noch. Mein Meer war grau und langweilig, als wir zusammen darauf sahen, gefühlte Äonen her. Sein Hund trottete durch den Flutsaum, roch hier und da an einem Krebs. Er ging als Fremder.

„Das ist die Liebe der Matrosen“ summt mir irgendeine zynische Stimme den alten Schlager ins Ohr. Und dass man es hätte gleich wissen können. Dass dieses wie auch immer geartete Verhältnis gar nicht erst hätte sein dürfen. Dass Kunst noch lange keinen Alltag macht. Aber was wäre das Dasein ohne Kunst, ohne Menschen, mit denen man sich Gedichte schicken kann; Menschen für die die See eben nicht nur eine große Ansammlung von Wasser ist. 
Er hatte das Meer in seiner Seele und war ihm in so vielen Dingen gleich: Unberechenbar, nicht zu greifen, punktuell überraschend kalt. Und dann wieder so tief und unergründlich, so heimatgebend und so schön. Eine Welt, die es sich immer wieder zu entdecken lohnte, gerade weil ich wusste: Ich werde nie fertig damit.

Nach dem Schauer bricht wieder Sonnenlicht durch die Wolken, die jetzt wieder strahlendweiß sind und in harmlose, kleine Flöckchen zerfallen. Die Menschen öffnen ihre Jacken und verlassen den Schutz ihrer Strandzelte. Am Horizont kreuzt ein Schiff der Küstenwache. Das Gefühl verweht, aber ich weiß, dass es mich noch eine Weile umfloren wird wie ein Trauerkranz. Es ist schwer, aufzugeben.

Zu schnell ist alles Vergangenheit. Die Zeit heilt, sagt man, aber ich glaube nicht, dass das auf Liebe oder auch nur auf eine innige Zuneigung zutrifft. Warum sonst sollte man sich in der Kirche ein „Für immer“ versprechen, in guten und in schlechten Tagen, bis das der Tod uns scheidet? Ich glaube an diese Ewigkeit. Ich glaube daran, dass es ein „Für immer“ geben kann, auch wenn es nur selten von gegenseitiger Dauer ist. 

Und dann ist da immer einer, der zurück bleibt mit seinem Teil von Ewigkeit und nicht weiß, wie er das abkürzen soll.
„Gott, hilf mir tragen“ betet man dann vor dem eisernen Kerzenständer unter den Blicken der Gottesmutter, dem Kerzenständer, an dem man so viele Lichter für ihn entzündete. Das Kerzenlicht leuchtet weich und warm wie der Regen; wie die Umarmung, mit der sie das Jesuskind hält.
Und man hofft, dass der HERR die Welle schickt, welche das Gefühl der Ewigkeit des Meeres übergibt und einem das Herz, sauber gewaschen, mit sanfter Dünung zurück ans Ufer legt.

 

Momentaufnahme, Frohsinn

Es ist ein wunderbarer Tag im Mai. Möwen gleiten lautlos an der Dünenkette vorbei, die im Licht des späten Nachmittags golden aufleuchtet. Kein Wölkchen zeigt sich am makellos blauen Himmel, von dem seit dem frühen Morgen die Sonne strahlt. Jede Ecke bietet an solchen Tagen ein Fotomotiv, das man ohne weitere Bearbeitung auf einen Langeoog-Prospekt drucken könnte, wo es dann dafür sorgte, dass noch mehr Gäste und Investoren auf die Insel kämen, um hier Müll, Geld, noch mehr Baustellen und verwaiste Straßenzüge im Winter zu hinterlassen.
Kein Licht ohne Schatten.

Ich versuche in einem der Strandkörbe zu lesen. Immerhin soviel soziales Denken gibt es auf Langeoog noch, dass die Körbe, sobald die Vermietungsbuden schließen, zum Allgemeingut mutieren: Man kann also ab dem späten Nachmittag darin sitzen, ohne dafür bezahlt zu haben. An der Ostsee werden sie nach dem Feierabend der Vermieter gnadenlos mit Gittern verriegelt. Hier versuchen das einige Privatleute mittlerweile ebenfalls und errichten alberne Barrikaden aus Fahrradschlössern und Wäscheleinen an den Strandkörben, die sie für mehrere Tage gemietet haben. Als säße es sich tagsüber schöner darin, wenn man anderen in Abwesenheit keinen Sitzplatz gönnt.

Nebenan schreit ein Kind in einer so dämonischen Tonart und Intensität, dass man an das angeblich angeborene Gute im Menschen kaum noch glauben mag.
Und tatsächlich ist es doch so, dass einen manche Tage und Wochen schier an der Menschheit verzweifeln lassen, und seien sie meteorologisch auch noch so vollkommen. Und nein, man selbst schließt sich nicht zwingend davon aus, denn wer ist bitteschön noch nicht gelegentlich an sich selbst verzweifelt?
Ich gehe zurück ins Dorf. Auf einer etwas abgelegenen Bank sitzt ein junger Mann unter prachtvoll erblühten Bäumen und weint, ein Telefon am Ohr. Sein Gesicht ist blass und starr vor Kummer. Er lauscht schweigend der Person am anderen Ende der Leitung, die ihm — man kann es nur ahnen — vermutlich soeben eine furchtbare Nachricht überbringt. 
Derweil schieben fröhliche Familien ihre Strandbollerwagen und Buggys vorbei, Hörnchen mit bunten, süßen Eiskugeln in den Händen.

Es gibt keine Garantie auf Glück, nur weil Frühling ist. Und doch scheinen Trauer und Kummer jetzt ein noch größeres Tabu zu sein als sonst. Wer will sich, nach all dem Grau des Winters, schon noch mit dem Grau in andererleuts Seelen befassen?
Die Tage war ich im evangelischen Gottesdienst, weil ich dort dienstlich etwas zu erledigen hatte. Es war der Sonntag Kantate, und der Pfarrer leitete den Gottesdienst, anstatt sofort in jeder Hinsicht ein Loblied zu singen, mit den Worten ein, dass heute trotz des Festtages nicht allen Menschen zum Singen zumute sei. Dass die Laute menschlichen Elends trotz allem durch die Welt hallten. Als Katholik lobt man die Lutheraner ja eher spärlich, aber hier sage ich: Das hat mich beeindruckt.

Die Diktatur des Frohsinns ist nicht nur an Karneval ein Thema für sich. Mit einem engen Vertrauten, der sich mit Depressionen aus eigener Erfahrung auskennt, bin ich mir einig: Das Gefühl, nie traurig sein zu dürfen, weil in unserer Gesellschaft kein Platz dafür ist, macht erst Recht depressiv. Und zuweilen sehr einsam. Denn wer wagt schon an einem strahlend schönen Tag im Mai seine Freunde mit Trübnis zu belästigen? Eben.
„Lach doch mal, ist schönes Wetter.“ „Schau mal, die Sonne lacht auch.“ —Der Mai ist der Monat mit der höchsten Selbstmordrate.

Dennoch: Das Erwachen der Natur ist wunderschön. ich freue mich über jede neue Knospe, über das zarte Grün an den Bäumen, das niemals wieder im Jahr so eine wundervolle Farbe haben wird, über die ersten Stunden inmitten meiner geliebten Blumen auf dem Balkon, über die erste Sonnenbräune, die ersten goldenen Strähnen im Haar. Ich bin froh, dass mir der Frühling jedes Jahr verlässlich zeigt, dass zumindest meteorologisch der Winter vorbei ist, selbst wenn er seelische Eiszeit mitbrachte.

Menschliches Leid hält sich nunmal an keinen Jahreszeitenkalender. Ich kenne Menschen, bei denen ein Elternteil an Weihnachten starb; auch eine Freundin von mir starb am zweiten Weihnachtsfeiertag, meine Eltern verschoben ihre Hochzeit wegen des Todes der Großmutter. Es gibt Menschen, die an einem strahlend schönen Sommertag ihre Arbeit verlieren, verlassen werden, eine Fehlgeburt erleiden oder beim Arzt eine schlimme Diagnose erhalten.
„Lacht doch mal. Ist schönes Wetter.“

Ich erinnere einen Mann, den ich sehr lieb gehabt hatte, und der dann an meinem Geburtstag mit einem anderen vor der Tür stand, kaum halb so alt wie ich. Ich hatte seinem Besuch zum Geburtstag lang entgegengefiebert, hatte Pläne gemacht, geträumt, die Vorfreude in meinem Herzen gehegt wie die Zwiebeln der Frühlingsblumen in meinem Beet: Nicht mehr lange und alles würde erstrahlen in schönsten Farben. Noch war der Winter nicht vorbei, aber in der Kälte hatten mich stets seine lieben Worte gewärmt, die Kontinuität eines vermeintlich beiderseits gewachsenen Gefühls und seine schönen, großen, tiefbraunen Augen, in denen ich mich Schlechtes zu entdecken weigerte.
Jetzt hatten diese Augen einen kalten, gelblichen und unschönen Bernsteinton, der keinerlei Gefühl verriet, umschattet indes von anbetungswürdigen Wimpern. Er sah mich nicht einmal wirklich an, als er den mitgebrachten Jüngling an meinem Geburtstag — einem sonnigen Vorfrühlingstag — über meine Schwelle schob.
Das sei seine neue Muse, sagte der Mann, den ich liebte, und er sei hier doch sicher auch willkommen. Die Muse lächelte schüchtern und mir dämmerte, das er nichts ahnte von dem Ausmaß des seelischen Elends, das sein Auftauchen entfalten sollte.
Also gab ich der Muse die Hand und bemühte mich um Gastfreundlichkeit: Alles, was ich für zwei geplant hatte, modifizierte ich, der Höflichkeit geschuldet, für drei, während eine innere Abrissbirne mein Herz und meine Träume in Trümmer schlug.

In der Bibel mag die Drei eine heilige Zahl sein. In amourösen Dingen ist sie eine Katastrophe. Und dann saß man da und kaute an irgendetwas Teurem, das sich wie Sand anfühlte und sich nicht schlucken ließ, während der von mir noch innig Geliebte in verliebtem Palaver mit dem anderen erblühte, und man selbst verfluchte den Tag und die eigene Geburt, obwohl man diese eigentlich soeben feierte. Eigentlich.
Irgendwann hatte der Albtraum ein Ende, die beiden reisten ab. Hochmütig stieg der Mann über den siechen Rest langjähriger Verbundenheit, ohne sich noch einmal umzudrehen; den schönen Mantel gerafft, damit ihn nichts besudelte.
Derweil trudelten Glückwünsche ein: Ich hoffe, du hattest einen wundervollen Tag. Dankeschön, antwortete ich, natürlich hatte ich das. Wie sollte man seinen wohlmeinenden Freunden auch erklären, dass man an einem Tag, der für die meisten seit frühester Kindheit ein Inbegriff von Glückseligkeit ist, gerade vor Kummer erstickte?
Ich konnte es nicht.

Es zieht mich noch einmal zurück zum Strand. Die Pracht und Vollkommenheit der abendlich stillen Landschaft überwältigt mich. Der Gesang der aus den Dünen steigenden Lerchen wird von keinem Gebrüll mehr übertönt. Leise rauscht Wind durch das frisch gepflanzte Helmgras.
Der meinem Haus naheliegende Strandüberweg wurde für die Saison verbreitert; die frühere Aussichtsplattform wurde abgebaut, die Bänke woanders hingestellt. Das Fernrohr, das dort früher stand, liegt nun, außer Dienst gestellt, mit seinem Betonsockel in den Dünen. Als die Sonne über dem Meer versinkt und sich seine Silhouette gegen den blutrot gefärbten Himmel abzeichnet, sieht es aus wie das Geschütz eines längst verlorenen Krieges.

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Momentaufnahme, Licht

Nebelfeuchte Luft liegt über den leeren Straßen. Endlich ist es mild geworden, das Thermometer zeigt knapp über 10 Grad.
Zuhause ist es dunkel und sehr still. Ich schalte ein Licht an. Meine Wohnung liegt da wie ein Museum. Alles schaut mich an; hell, sauber und ordentlich. Mir fehlt das Leben darin.
Ich nehme das Kissen an mich, an dem er lehnte. An meinem Tisch, in meinem Leben. Der Stuhl steht, wie er ihn verließ.
Das Kissen riecht noch ein wenig nach ihm. Ich widerstehe dem Drang, es noch fester in die Arme zu schließen, mit in mein Bett zu nehmen, für eine letzte Illusion seiner Anwesenheit, für den verblutenden Traum eines langen, friedlichen Schlafs in seinen Armen. Ungestillte Sehnsucht, nahender Abschied.
Die Stille ist laut.

Das Horn der Spätfähre erschreckt mich. Morgen wird es ihn fortnehmen und ein „Nie wieder“ bringen. Ein einsamer Klagelaut, der bis in meine Wohnung dringt; bis in die zugige Bahnhofshalle meines Herzens. Auf deren verwaisten Gleisen der Inselbahn ein letztes Nachvibrieren seiner Anwesenheit. Geliebter Freund: Leb wohl.

Zugleich wird der morgige Tag ein Tag des Neubeginns. Meine Firmung findet statt. Ich putzte mein Herz so rein wie möglich dafür; so sauber, wie man ein abgewohntes, trauriges Möbel eben kriegt. Der Sonntag Laetare. „Freut Euch!“ heißt das. Ein so viel schönerer Imperativ als das Lebewohl, das folgen wird wie, nunja: Das Amen in der Kirche.

Der Priester wird mir die Hand auflegen und Heiliges Öl auftragen. Ich werde das Haupt senken und den purpurfarbenen Kreppstoff seines Obergewandes sehen, den weißen Lochstickereisaum der Albe, seine Schuhspitzen. Letztlich: Den Boden und Staub, zu dem wir alle wieder werden: Ich dann immerhin als Katholik. 
Ich werde weiters dem Satan und allen Versuchungen abschwören und einen Satz sagen, den ich mit nervöser Hand auf eine Postkarte schrieb, die ich im Osnabrücker Domforum kaufte. Sie zeigt eine schlichte, schöne Statue der Gottesmutter. 
„Ich glaube und bekenne alles, was die heilige, katholische Kirche als Offenbarung Gottes glaubt, lehrt und verkündet.“ — So sei es.

„Gott ist für mich, ich fürchte mich nicht.“ Das ist mein selbstgewählter Firmspruch, Psalm 118,6. Er nährt das Herz, wärmt und stärkt. Die Welt mag gegen mich sein, meine persönliche kleine Welt auseinanderfallen, aber: Gott ist für mich. Gott ist nicht gegen mich. Ich fürchte mich nicht.
Ich habe lange auf diesen Tag hingearbeitet, länger noch auf dieses neue Vertrauen in die Kirche. Ich habe Gott gründlich zugehört: Dein Wille geschehe. Wie in der Freud, so auch im Leid. 

Noch immer ist Buß- und Fastenzeit.

Ich glaube inzwischen fest daran, dass Enthaltsamkeit und Mäßigung mehr ist als ein Opfer, als etwas, womit man sich quält. Lange ließ ich das Übermaß in Allem walten. Wenn Gott mich nun das Sparen und Aufsparen lehrt sowie das Entsagen auch großer Sehnsucht, so nehme ich das an. Leicht ist es freilich nicht.



Ich vermisse meinen lieben tierischen Gefährten und meinen Lieblingsmenschen auf diesem Stück des Weges. Aber so hat Gott uns wohl nur bis zu einem bestimmten Punkt füreinander bestimmt. Oft erkennt man, so erzählte mir der Lieblingsmensch dereinst, das Gute in schmerzhaften Dingen, den Plan Gottes, erst lange nach einem Ereignis. Aber, so sei er sicher, es hätte alles seinen Sinn, so unnötig und bitter einem etwas zunächst auch erscheinen möge.
Ich halte die beiden Freunde in meinem Herzen und in Erinnerung, wie sie waren, als ich sie am Liebsten hatte.

In einem Winkel meiner angegrauten Seele legt Hoffnung einen süß duftenden Blütenteppich übers karge Land. Ein zärtlich flüsterndes „Vielleicht. Doch noch einmal. Irgendwann.“ Doch manchmal wird aus einem „Für immer“, das man ersehnte und an dessen Lichtschein man sich wärmte, eben wirklich ein Abschied für immer.



Ich denke über die Begriffe „Hoffnung“ und „Liebe“ nach, in weltlicher Hinsicht. Wie kann es sein, frage ich mich, dass so etwas Wunderschönes, je nach Kontext und vorgefügtem Adjektiv, zu so etwas Traurigem werden kann?
Vergebliche Hoffnung. Unerwiderte Liebe.


Was kann man dagegen setzen? Glauben natürlich; laut Bibel der Dritte im Bunde dieser Begriffe. Aber auch wieder Hoffnung: Hoffnung auf ein neues Licht am Horizont. Und sogar Liebe: Das Gehenlassen im Guten, das Bewahren von Haltung selbst in unwürdigen Situationen, das unerschütterliche Entgegenbringen von Respekt und Achtung selbst im Streit. Das Nichtverlangen und nicht grollen. Das Beiseiteschieben von Eitelkeit und Zorn. Es fällt nicht immer leicht. Aber auch das zu schaffen, sage ich mir, ist Liebe.

Es ist spät geworden. Der Anzug, den ich tragen werde, ist schwarz. Eine Farbe der Demut, der Trauer, des Abschieds. Es ist ein Freudentag, rufe ich mir die Vorabendpredigt des Priesters in Erinnerung: „Laetare!“.

Das Herz will sich freuen, sich erfüllen lassen von den schönen Gesangsstimmen der Pastoralreferentin und des Priesters. 
Und doch dringt durch die Melodien, den Weihrauch und das Licht der Kirche, dumpf und mahnend das Horn des Schiffes und das schrille Pfeifen der Inselbahn.

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