Momentaufnahme, Da-Sein

Den Sonnenuntergang, dessen Farbenpracht heute durch eine dünne Wolkenschicht gedämpft wird, betrachte ich durch die formschönen Kronen üppig begrünter Linden. Darunter steht eine Bank; der Blick dehnt sich von dort aus über hügelige Wiesen mit der ungemähten Blütenpracht eines Frühlings auf seinem Zenit. Der Weizen auf den Feldern gegenüber der Straße ist hochgeschossen. Noch wogt der Wind durch sein helles Grün, und doch trägt er schon das Versprechen der Ernte in sich. Wenn sich das Grün in Gold wandelt, werde ich schon wieder fort sein von diesem herrlichen Fleckchen Land. Welche Ernte ich dann zurück auf die Insel trage, wird sich zeigen. Vorm Füllen der Speicher denke ich aber zunächst ans Leerwerden.

Durch den Klostergarten schleicht der Fuchs. Ich sehe zu, wie das edle Tier seine Runden zieht, aufmerksam und witternd um sich blickend. Ich dagegen muss meine Sinne erst wieder schärfen. Ich kam erschöpft, ausgelaugt, emotional vollgemüllt — Universen entfernt von der erstrebten, heilsamen Leere, die sich mit neuem Wissen, Schönheit und Liebe füllen lässt.

„Warum macht man woanders Urlaub, wenn man auf Langeoog eine Wohnung hat?“ — Ehrlich gesagt: Ich kann diese Frage nicht mehr hören. Der Tag, an dem ich keine Loblieder auf die Schönheit unsere Insel mehr singen kann, wird nicht kommen. Ebenso wenig wie  der Tag, an dem ich nicht von Herzen gerne nach Langeoog zurückkehre oder der Tag, an dem mich der Anblick des Meeres in keinen Freudentaumel mehr versetzt.

Dennoch muss man auch zwischen die größte Liebe und sich selbst gelegentlich ein paar Kilometer bringen: Alltagsflucht gelingt nicht auf täglichen Wegen, zumindest mir nicht.

Auch hier, im Kloster, gibt es vom ersten Tag an Routine und der Radius für Ausflüge zwischen den Stundengebeten ist begrenzt. Aber es ist eine Routine, die nicht mehr von mir verlangt als das pure Da-Sein. Die Hingabe an Gott. „Das Aufweichen von Herzverkrustungen“, wie es einer der Patres hier treffend formulierte.

Am ersten Tag ist noch alles schwer. Beim Versuch, all den gesammelten Seelenmüll vor Gott zu kippen, meldet sich das schlechte Gewissen. Kann man den HERRN wirklich damit belasten? Ist SEINE Kirche nicht viel zu schön, zu rein, zu hell für all den Dreck? (Und nein, wir reden hier nicht von der Institution, in der es zweifelsohne nicht nur eine Schmuddelecke gibt, aber dies soll an dieser Stelle nicht Thema sein.)

Die Mönche sind hilfreich: Man kann. Nach einem längeren Seelsorgegespräch mit einem der Patres lasse ich die ersten Fuhren los. Es rührt mich, dass ein fremder Mensch um meine Heilung betet. Die Hände, die er dabei über meinen Kopf hält, strahlen Wärme ab. Natürlich, mag der rationale Mensch hier einwerfen: Das ist Biologie, und die Gesten und Worte dazu lernt man im Priesterseminar. Ich weiß das auch. Und dennoch ist es mir heilig,  ist dieser Moment heilig, und ich glaube daran. Einhergehend mit der Verpflichtung: Ich will’s nicht versauen. Im Widerschein des Ewigen Lichts ist Geborgenheit. Und einer, der alles Vertrauen verdient. GOTT ist da. Er ist verschwiegen, aber er schweigt nicht. Es tut so wohl, wieder hier zu sein.

Es ist lange her, dass ich irgendwo, in späten Sonnenlicht und unter Bäumen, ein vis-a-vis-Gespräch ohne ein bestimmtes Anliegen, ohne Zweck und Auftrag mit jemandem führte. Wann bleibt im Alltag schon Zeit dafür? Bis auf den Mönch und mich ist der Pilgerplatz vor der Kirche leer; die Sonne steht so, dass nicht einmal das große Kreuz einen Schatten darauf wirft. Und genau so, denke ich, will ich leben: Mit viel Raum um mich, aber nicht allein, beschützt, aber nicht im Schatten. Umgeben von all dieser wunderbaren Natur, die ich bis an die Schmerzgrenze liebe. In Gesellschaft intellektueller Feingeister, die auch zum Schweigen befähigt sind und für die Kunst einen Wert hat. Für die das Beschaffen von Geld nur eine Notwendigkeit ist statt eines Lebenszwecks. Für die Liebe kein exklusiver Besitz ist.

Ich könnte und dürfte kein Ordensleben führen, aber ich bin froh, dass es Menschen gibt, die das tun und andere zumindest für eine Weile daran teilhaben lassen. Für einige mögen Klöster ein überflüssiger Anachronismus sein und ihre Bewohner an der Welt Scheiternde — Für mich aber beruhigt das unablässige Gebet dieser Männer (und Ordensfrauen anderswo) den Puls der Welt ebenso wie meinen Herzschlag. Ich bin froh, dass es sie gibt. Und es hält mich am Leben.

Bevor sich die Anlage in völlige Dunkelheit hüllt und sogar das Licht im Büro des immer fleißigen Priors verlischt, schnüre ich, wiewohl weniger elegant als der Fuchs, ein letztes Mal am Waldrand entlang. Aus den Wipfeln schreit eine Eule. Der noch immer warme Wind legt den weißen Stoff der Ordensbanner an der Kirche in weiche Wellen. Der Anblick lässt mich ans Meer denken und an die Wellen, die unsere treue Fähre an stillen Tagen ins Hafenbecken pflügt.

Ich vermisse die Insel. Und doch ist es gut, jetzt hier zu sein. Genau hier: Mit der Eule, dem Fuchs, den Mönchen, den Linden und dem Weizenfeld. Und mit dem, der alle unsere Wege kennt.

 

 

Momentaufnahme, Fülle

„Leben in Fülle“. Es ist ein Leichtes, sich vorzustellen, was die Bibel damit meint, wenn man dieser Tage über Land fährt. Vor dem Busfenster, auf der Straße Richtung Norden, wogen goldene Ähren. Der Mais schießt in die Höhe, auf den Obstplantagen bekommen die Äpfel schon rote Bäckchen. Auf den Verkehrsinseln leuchtet der Rainfarn in goldener Pracht. Die Natur ist hier weiter als auf Langeoog, denn dort hat diese von mir geliebte Pflanze, die unter anderem an den Strandaufgängen wächst, noch grün verschlossene Knospen.
Blühstreifen, welche die Äcker und Weiden säumen, sind blauweiß geblümt wie zartes, friesisches Teegeschirr: Kornblumen und Kamille, Disteln und Schaumkraut geben sich ein „Landlust“-Covertaugliches Stelldichein. In einem funkelnden Wassergraben füttert eine Teichralle ihr Kleines, Holsteiner Fleckvieh käut, träge und wohlgenährt, auf saftiggrünen Wiesen wieder. An den Straßenrändern zeichnet sich eine Allee junger Birken strahlend weiß gegen den königsblauen Himmel ab. 
All diese Pracht ist über das zarte Erwachen des Frühlings weit hinaus; sie trägt bereits das Verprechen auf die Ernte des Herbstes in sich, ohne jedoch schon erkennbares Verfallen, die Vorboten des Winters, zu zeigen. Der Sommer ist auf seinem Zenit.
Kurz vor der Stadt Norden steige ich aus. Das Schloss Lütetsburg ist mein Ziel mit seinem beeindruckenden Park, an den ich mich nur vage aus sehr jungen Jahren — damals in Begleitung meiner Eltern — erinnere. 
Mit ihren alten Gewächshäusern, die heute ein Café und einen Laden beherbergen, erinnert mich die Anlage an die Königlich-Preußische Gartenakademie in Berlin, unweit des Botanischen Gartens, wo ich liebend gern den mir ansonsten unerträglichen (obwohl hochgepriesenen) Berliner Sommer verbrachte.
Im Inneren des Glashauses, in dem sich das Café befindet, ranken Weinstöcke aus den 50er Jahren und zaubern entzückende Schattenspiele auf das schlichte, aber gepflegte Interieur. Sogar das Klo befindet sich in einem bezaubernden Backsteinhäuschen, an dem üppige Rosen wuchern. 
Es ist später Vormittag; das Café hat gerade erst aufgemacht. Außer mir ist nur ein älteres Ehepaar sowie ein Damenkränzchen anwesend, das bereits bestgelaunt dem Sanddornprosecco zuspricht. 
Die Kuchen und Torten in der Vitrine sehen ebenfalls aus, als entstammten sie geradezu einer „Landlust“-Ausgabe, aber es ist eindeutig noch zu früh dafür. Also bestelle ich Tee und eine Gemüsequiche, die hier nicht profan mit einem „Beilagensalat“, sondern mit einem „kleinen Salatgesteck“ angepriesen wird. Alles ist stilvoll und edel, ohne protzig zu sein: Cleanes Understatement. Und wo wäre das Wording „Gesteck“ passender als in einer Schlossgärtnerei? Eben. Der Ex-Werbefuzzi in mir nickt. Und fast wäre mir auch schon nach Prosecco.

Nach dem Brunch rüste ich mich für den Gang durch den Park, dessen gewaltige Ausmaße mir erst bewusst werden, als ich im zweiten historischen Gewächshaus — dem Lädchen — einen ausführlichen Parkguide kaufe. Mir dämmert jetzt schon, dass ich nicht alles schaffen werde, bis ich den Bus zum letzten Schiff zurück nehmen muss. Also picke ich mir die interessantesten Stationen heraus: Die Kapelle, die 300 Jahre alte Eiche, die Nadelgehölze, den größten See. 
Aber es fällt schwer, sich an den Plan zu halten. 
Hinter jeder Ecke eröffnen sich faszinierende Perspektiven, spektakuläre Sichtachsen, ausgeklügelte und doch so zufällig wirkende Blickwinkel. Zwischen den sonnendurchwirkten Zweigen immer wieder: Das Schloss.
Eine Hochzeitsgesellschaft hat sich unterhalb des „Tempels der Freundschaft“ versammelt, der eine Außenstelle des Standesamts Hage beherbergt. Die nächste Gesellschaft wartet bereits auf ihren Einzug. Eine hochgewachsene Dame in einem eleganten, bodenlangen grünen Kleid, mit weich aufgesteckten, edelholzbraunen Haaren und sensationeller Figur, verschmilzt förmlich mit dem Sattgrün der Bäume und stiehlt der Braut zweifelsohne die Show. Ich sehe sie nur vom Weiten, aber es ist einer der seltenen Fälle, in denen sogar ich eine Frau anbetungswürdig finde. Und jedes Mal, wenn jetzt jemand „Holla, die Waldfee sagt“, denke ich, werde ich wohl genau diese bezaubernde „Waldfee“ vor Augen haben.
Unter einer Baumgruppe posiert ein drittes Brautpaar gerade für eine Fotografin. Alle, die daran vorbeimarschieren, rufen „Herzlichen Glückwunsch“: Es sind viele. Die Braut ist zu stark geschminkt und sieht gestresst aus. Aber sie bedankt sich und versucht zu lächeln. Die Fotografin hat ihr und dem Bräutigam Holzbuchstaben in die Hand gedrückt: L, O, V, E. Die Braut soll sich das O über den Kopf halten. Es sieht albern aus und sie tut mir Leid. So eine Erinnerung wöllte ich nicht im Album. Aber der Baum, unter dem sie stehen, ist schön. Und der Bräutigam auch.

Ich erreiche die „Nordische Kapelle“. Das winzige Gotteshaus wurde 1802 nach skandinavischem Vorbild errichtet, inklusive künstlicher Felsen, Nadelbäume und kunstvoll arrangierten Wurzelwerkes. Ein Schild am Eingang mahnt zur Stille.
Ich bin überrascht, hier das Gotteslob sowie Kniebänke vorzufinden, aber tatsächlich ist und war die Eigentümerfamilie des Schlosses katholisch: In Ostfriesland eine Seltenheit. Aber auch für die Öffentlichkeit kann die Kapelle für Trauungen oder Trauerfeiern genutzt werden. Freilich eher von Menschen mit wenig Anhang, denn mehr als ein Dutzend Menschen passt kaum hinein. 
Ich schlage ein Kreuz und knie mich auf die hellgrauen, weich gepolsterten Bänke. Außer mir ist niemand da, und so genieße ich kostbare Momente der Andacht vor einem schlichten, aber Wärme und Zuhause ausstrahlenden Altar unter einer leicht schiefen, weißgrauen Kuppel. Etwas schief hängen auch die Kerzen in ihren Halterungen; auf der Altarstufe steht ein Strauß frischer Blumen.
Ich mag die Kapelle: Sie vertrömt die Geborgenheit eines abgeliebten Kuscheltieres, auch wenn dieses Bild vielleicht ungehörig klingt. Aber ich spüre, dass man hier gut zur Ruhe kommen kann. Und nach Hause. 
Wie sehr dieser Eindruck passt, wird mir erst später klar werden. 

Die Abfahrzeit des Busses rückt näher. Quasi im Sprint eile ich durch die wichtigsten Areale des Parks, immer wieder ausgebremst von meinem fotografischen Auge, das unbedingt noch diesen und jenen Winkel mitnehmen möchte. Und in einem Bereich mit besonders vielen Nadelbäumen, riesigen Lärchen und Zypressen, kann ich einfach nicht anders als verweilen. Wie lange ich keinen Waldboden mehr unter den Füßen hatte! Fast hatte ich vergessen, wie federnd-weich man auf einem dicken Polster aus Lärchennadeln und -zapfen läuft! Ich wippe ein wenig darauf herum und lasse gleichzeitig den Blick die Stämme emporgleiten, hinauf zu den hellgrünen Kronen. Zwischen den braunen Ästen im lichtundurchdringlichen Teil der Bäume glänzen Spinnweben.
Sofort zücke ich das Smartphone, um zu recherchieren, ob ich nicht einen Bus später nehmen kann. Leider geht es nicht. Und nun rennt die Zeit wirklich. 
Ein letztes Abbremsen im Westteil des Parks: Ein großes Schild weist auf einen „Begräbniswald“, der in diesem Areal liegt, und listet Verhaltensregeln dafür auf. Um das Schild herum tanzen Schmetterlinge. Ich schaue zu den Bäumen: Das sind Gräber? Augenblicklich bin ich so fasziniert wie begeistert, denn bis zum Abschnitt „Begräbniswald“ war ich zuvor auch im Parkführer nicht gedrungen. Und diese Entdeckung hätte ich wirklich nicht erwartet. Schnell reiße ich einen Flyer aus dem angehängten Plexiglaskasten: Darüber möchte ich mehr wissen!

Vor den Busfenstern entfaltet sich erneut die Fülle des Lebens in allen leuchtenden Farben. Urlauber auf dem Weg zu den Fähranlegern Bensersiel und Harlesiel plappern fröhlich in den Sitzreihen ringsum, planen Strandbesuche und Essen. Ich ziehe den Flyer aus der Tasche. Will ich mich jetzt wirklich mit dem Tod beschäftigen? Werden mich meine Freunde nicht für akut depressiv halten, wenn ich davon erzähle? Aber ich bin es nicht, und wann sollte man sich denn sonst mit dem Tod beschäftigen, wenn nicht auf dem Zenit seines Lebens? Die Hälfte ist rum, sage ich mir. Und niemand weiß, was noch bleibt.
Freilich: Mich mit meinem eigenen Ableben zu beschäftigen, macht mir nichts aus. Zumal ich mir, da Nachkommen- und Ehepartnerlos, zwangsläufig selbst Gedanken ums Wo und Wie machen muss, wenn ich kein DIN-genormtes Sozialbegräbnis haben möchte. Ich bin nicht immer in der Lage, mir über das Wie des Sterbens Gedanken zu machen oder gar über das, was nach dem Tode kommt oder auch nicht, auch wenn ich mir da als Christ vielleicht sicherer sein sollte. Aber über die Beerdigung? Bittesehr.

Indes fällt es mir schwer, andere davon sprechen zu hören. Insbesondere Nahestehende. Ich weiß, dass es wichtig wäre, beispielsweise die Eltern zu fragen, was sie sich für einen Abschied von der Welt wünschen, aber ich habe das noch nie fertiggebracht. Man will ja nichts heraufbeschwören. Und ja, ich verdränge auch den Gedanken daran. Nach dem Motto: Wenn ich ausblende, das Eltern sterben, tun sie es auch nicht. Aber so wird das nicht sein. In sehr vielen Todesanzeigen sind die Leute schon jetzt jünger als meine Eltern, und es zerreißt mir bei jedem und jeder das Herz.
Die Tage sprach mich mein Vater auf mein potentielles Erbe an, aber so schön ich das Haus auch finde: Wenn das Eigentum daran an seinen Tod geknüpft ist, will ich es nicht haben. Und nicht einmal daran denken. 
„Ich werde es nicht verkaufen“ — dieses Versprechen zumindest konnte ich geben: Das Haus wird länger leben als wir alle, so Gott will.
Kein Gentrifizierungsbagger wird das Haus im Berliner Nordosten zugunsten irgendeines neumodischen Einheitsklotzes zerreißen, keine Abrissbirne die doppelglasigen Fenster zertrümmern, aus denen auf einem Foto von 1928 mein Urgroßvater schaut. Letzterer liegt keine 600 Meter vom Haus entfernt beerdigt: Und so schließt er sich wieder, der vielbesungene „Circle of Life“.

Nun also, der Friedwald in Lütetsburg mit seiner heimeligen, katholischen Kapelle. Wenn Langeoog die Insel fürs Leben ist, denke ich, warum sollte sie zwangsläufig auch die Insel fürs Sterben sein? Natürlich möchten die meisten Menschen dort beerdigt werden, wo sie — zumindest in summa — glücklich waren, wo ihr Zuhause war. Ich hege keinen Zweifel daran, dass dieser Platz Langeoog ist. Aber will ich auf den Dünenfriedhof, wo sommers Heerscharen lärmender Touristen zu Lale Andersen pilgern, wo Menschen picknicken und mit Fahrrädern herumsausen, jede Friedhofsordnung missachtend? Will ich eines dieser mitleiderregenden Gräber werden, um die sich sichtbar niemand mehr kümmert? Und eine Seebestattung? Schön, aber viel zu teuer. Der Wald, denke ich, ist eine gute Idee. Man kann sich sogar den Baum aussuchen, unter dem man bestattet wird, mit Namensplakette oder ohne. Und niemand sieht, ob man noch Angehörige hat oder nicht, ob man den Leuten egal ist oder nicht, weil diese Gräber per se nicht geschmückt werden. Im Friedwald gibt es keine Beliebtheitswettbewerbe mehr. Nicht, dass die einem nach dem Tode nicht ohnehin egal wären — aber man kann ja nie wissen.
Die dem Flyer beigelegte Postkarte mit der Bitte um „mehr Informationen“ fülle ich aus. Nach dem Baumaussuchen könnte man doch auch im Schlossparkcafé etwas Leckeres genießen oder auf dem benachbarten Golfplatz eine Partie spielen, wirbt die Postkarte. Fast muss ich darüber lachen. Aber muss der Tod auch immer todernst sein? Die Karte ist auch nicht schwarz, stelle ich überdies fest: Es ist ein sattes Tannengrün. 
Als ich danach den Kopf hebe, um erneut aus dem Busfenster zu sehen, fühle ich mich selten lebendig.