Ent-Sorgung

Endlich haben sich die Narzissen geöffnet. Entlang der Straßen wogt nun wieder ein gelbes Blütenmeer, wo monatelang nur gestutztes Rosengestrüpp und Hundescheiße zu sehen waren: Für mich ein untrügliches Zeichen, dass der Inselwinter überstanden ist.
Auch die Balz- und Brutzeit ist unüberhörbar eingeläutet. Überall werden Nester gebaut und die Hecke der Nachbarn scheint aus mehr Spatzen als Blättern zu bestehen. Das ohrenbetäubende Zwitschern hört man meterweit. An Dienstagen, wenn die Gelben Säcke abgeholt werden, wacht man jetzt wieder vom Kreischen der Möwen auf, die sich um Essensreste in schlecht ausgespülten Konservenbüchsen keilen. Den bedauernswerten Müllwerker:innen bleibt da nur noch, den zerfetzten Sackresten hinterherzujagen und den verstreuten Müll aus Büschen und Gärten zu klauben.
Es ist mein achtes Jahr in dieser Idylle, und ja: Ich liebe es. Auch wenn es das zweite Jahr der Pandemie ist.

Das Osterfest steht kurz bevor, aber von der Auferstehung des Tourismus ist noch keine Spur. Die Leute reißen sich nicht zusammen, die Politik ist inkonsequent; also ist der Salat derselbe wie letztes Jahr: Ostern ohne Familienbesuch, ohne Reisen und ohne Gäste auf Langeoog — wenn man von Tagestourist:innen, Zweitwohnungsbesitzenden, pendelnden Arbeitnehmer:innen, Mutter-Kind-Kurenden und ein paar anderen Ausnahmen einmal absieht.
Ohne das Thema „Inkonsequenz“ an dieser Stelle vertiefen zu wollen, sei erwähnt, dass die Insel auch mit diesen Menschen schon gut gefüllt ist. Zumindest ergibt sich dieser Eindruck an sonnigen Frühlingstagen wie heute, wenn vor meinem Balkon wieder ein Radverkehr herrscht wie in Amsterdam zur Rush hour. Oder von mir aus auch nur wie in Münster.

Ich reihe mich in das Rudel aus Radelnden ein und mache mich auf den Weg, den alles Irdische auf Langeoog einmal geht — zumindest das Irdische, das nicht auf einem der beiden Friedhöfe landet. Ich fahre zum Müllplatz.
Zunächst auf den, der noch rege in Betrieb ist. Die Pandemie-Nebenwirkung des zunehmenden Online-Handels macht sich auch hier bemerkbar, denn man trifft ständig das halbe Dorf, das hier Kartonagen in Container stopft; so wie ich. Die Gespräche das Übliche: Eigentlich will man ja Müll vermeiden. Ist ja auch mit dem CO2 nicht so doll. Nein. Aber was will man machen. Geht halt nicht anders gerade. So ist das. Tschüss.

Der zweite Müllplatz ist ein grüner Hügel mit einem Aussichtspavillon, in dem Schwalben brüten und an dessen Balustrade gepflegte Infotafeln über die Wunder des Weltnaturerbes aufklären. Nur einige dezent umzäunte Entgasungsrohre deuten darauf hin, dass unter den Menschen, die diesen Hügel erklimmen, ein Haufen Zivilisationsmüll gärt. Der Inselfauna selbst scheint dieses anrüchige Detail aber reichlich egal zu sein, denn die Tiere fühlen sich dort sichtlich wohl. Als ich mein Fahrrad am Fuße der renaturierten Müllkippe abstelle, empfängt mich überwältigend lauter Lerchengesang, und schon sehe ich die kleinen Vögelchen von überall aus der Wiese steigen. Von der anderen Seite der Hügelkuppe höre ich Graugänse schnattern; dahinter käuen Rinder wieder. Im Gras haben sich bereits saftgrüne Disteln entfaltet, Schmetterlinge flattern über Gänseblümchen und Klee. Der Blick streift im Süden und Osten über Dünenketten, Teiche, den Seedeich und die Salzwiesen bis hinüber ans Festland, wo man den Turm von St. Magnus in Esens sehen kann. Nach Norden und Westen sieht man die Weiden und das Dorf. Eine kleine Straße schlängelt sich flussgleich am Fuße des Hügels entlang; ich sehe das gelbe Postauto kommen, klein wie Spielzeug. Natürlich ist auch das Postauto auf Langeoog eine E-Karre, aber ich bin wohl noch soweit Städter, dass ein Postauto für mich ein Postauto ist, unabhängig vom Antrieb; so wie für mich Woolworth — meiner Kindheit geschuldet — auch immer noch „Wollwott“ ist und nicht „Wuulwörß“. Manche Dinge kriegt man eben nicht raus. Auf jeden Fall ist es schön, von dort oben Dinge beobachten zu können. Auch den Flughafen der Insel kann man vom Müllberg aus sehen: Bei diesem Wetter dauert es nicht lang zwischen Starts und Landungen.
Fast kann man hier oben vergessen, dass Pandemie ist. Und fast kann man vergessen, dass man auf einem Müllberg steht.

Für einige Leute, das weiß ich leider, fühlt sich das ganze vergangene Jahr an wie ein einziger Haufen Müll, und sie wären froh, wenn sie das Jahr und vor allem den Corona-Virus in die Tonne treten könnten. Wegkippen, zuschnüren, deponieren — und wehe, die Möwen reißen’s wieder auf! Viele stehen tatsächlich vor einem Aschehaufen. Erspartes weg, Ehe weg, Existenz weg, Selbstwertgefühl weg. Alles Müll.
Mit dem Thema Abfall — ich bitte schon jetzt fürs schlechte Wortspiel um Verzeihung — muss sich derzeit auch die katholische Kirche beschäftigen, denn viele Menschen fallen derzeit vom Glauben ab. Nicht witzig, ich weiß. Das sind die Vorfälle, die dazu führten, nämlich auch nicht. Beim Stochern in den Abgründen priesterlicher Existenz stank so einiges, und es hörte auch nicht auf zu gären, als man umso fester den Deckel drauf drückte. Im Gegenteil. Denn nun war der Mist implodiert und die „Brüder im Nebel“ nahmen, für jedermensch sichtbar, unschön Gestalt an. Brüder in Faulgasen trifft es wohl eher.
Viel Aufruhr, viel Leid: Bei den Opfern vor allem; aber auch bei jenen Geistlichen, die ihren Beruf nicht verfehlt haben, die nun aber unter Generalverdacht stehen. Insofern, denke ich, passt ein erneutes „stilles“ Ostern eigentlich ganz gut. Die Frohe Botschaft wurde schon so oft pervertiert. Demut ist angebracht, von Papst bis Plebs. Ich liebe die Kirche weiter, aber sie macht es einem nicht immer leicht.

Auch die Pandemie gibt mir inzwischen zu Kauen. Nach beinahe einem Jahr ohne Treffen vermisse ich meine Eltern doch sehr. Ich möchte mal wieder in Läden einkaufen und unterwegs in irgendeinem hübschen Café Halt machen können. Ich mag nicht mehr jeden Tag selbst kochen, weil kein Restaurant aufhat. Ich möchte mal wieder in einer fremden Umgebung aufwachen. Andererseits sind all das zweifelsohne Luxusprobleme, und ich möchte nicht wie die Made im Speck klingen, die sich beschwert, dass der Kuchen gerade außer Reichweite steht. Denn mehr als alles andere möchte ich gesund sein. Und letztlich geht es ja auch hier mit Minischritten vorwärts.

Die Freundin reibt sich den Arm, auf dem eine rote Schwellung von der Impfung zu sehen ist. Sie brütet Antikörper aus. Ich freue mich für sie; minimiert ihre Impfung schließlich auch mein eigenes Risiko, an COVID-19 zu erkranken. Und es ist der Romantik durchaus förderlich, die eigene Partnerin nicht mehr als potentielles Sicherheitsleck wahrnehmen zu müssen. Über meinen eigenen Impftermin mache ich mir keine Gedanken; es erscheint mir ähnlich sinnvoll wie ein Nachdenken über den Start der Marsbesiedelung.
Lieber denke ich wieder über das Ende des Winters nach und über den Frühling. Ich denke an die Narzissen und an das kleine Naturparadies, das im Inneren aus Müll besteht. Es wäre schön, wenn auch die Pandemiejahre in der Rückschau zu etwas Ähnlichem werden könnten. Dass wir an diese Zeit denken und sagen: Ja, das war ein Riesenhaufen Scheiße. Aber wir haben ihn neu begrünen können. Wir können jetzt darauf leben. Wir wissen, dass er noch unter uns gärt — denn ganz wird die Welt den Virus wohl nie mehr los — aber wir haben ihn unter Kontrolle. Ich glaube daran, dass eine solche Zeit kommen kann. Bis dahin muss man wohl weiter Aushalten. Und Ausschau halten nach allem, was blüht: Nach allem, was ein Anfang sein könnte.

Momentaufnahme, Wege

Es ist Hochsaison. Tagsüber ist kaum noch ein Pflasterstein zu erkennen vor den Strandaufgängen: Überall Fahrräder, Fahrräder, Fahrräder. Beim Bäcker lange Schlangen bis weit hinaus auf die Straße. In den Supermärkten die Ware aus den Regalen gezerrt, kaum, dass sie verräumt wurde. Die Strandkörbe ausgebucht, die Cafés voll, die Straßen bunt vor Menschen, die Angestellten bleich und müde. Leer sind in diesen Tagen nur noch die Friedhöfe und Kirchen.

Ich bin noch müde am Morgen; dennoch stehe ich auf, wohl wissend um die Kostbarkeit dieser Momente der Stille, des Wartens auf den ersten Möwenschrei, bevor der Lärm der Welt einsetzt. Dem Liebsten widme ich ein paar Worte, in die er sich lehnen kann, wenn ihn schon mein Arm nicht erreicht, und es tut gut, nicht immer allein zu erwachen, auch wenn uns so viele Kilometer trennen: Auch das gibt Kraft für den Tag.

Ein meditativer Strandspaziergang steht an, es soll um biblische Gartengeschichten dabei gehen und das Hineinspüren in sich selbst, in den Garten der Seele, inmitten in der erwachenden Natur unserer wunderschönen Insel.

 Wir beginnen in der katholischen Kirche, in der sich wesentlich mehr Menschen sammeln, als ich es für möglich gehalten hätte. Mit einer Seelsorgerin und zwei Ordensbrüdern ist die Quote an Theologie-Profis sehr hoch, dennoch herrscht von Anfang an eine einladende, warme und unkomplizierte Atmosphäre, die auch dem interessierten Laien, also mir, Geborgenheit vermittelt und Ruhe in sein Herz pflanzt.

In Stille bewegt sich die Gruppe zum Strand, und es ist schön, dass es angesichts all des Lärmen und Tosens um uns tatsächlich noch Menschen gibt, die nicht nur Stille aushalten, sondern auch Momente der Stille schenken können. 

Rückschau zu halten, werden wir eingeladen: Gerahmt von 7 Bibelstellen, die sich mit Gärten beschäftigen, soll das eigene Leben in 7 Abschnitte unterteilt werden, die wir gehend reflektieren — dabei überlegend, welche „Pflanzen“ wir daraus mitnehmen und weiter nähren möchten.


Mich ängstigt dieses Vorhaben ein bisschen, schleppe ich doch, wie vermutlich jeder Mensch, auch eine Menge Vergangenheitsmüll mit mit herum, den ich lieber unangetastet ließe. 
Aber: Für einen schönen Garten muss man sich eben auch den Schädlingen und dem Unkraut darin widmen; und den Ansatz, dabei auf das zu fokussieren, was uns weiterbringt (und immer weiterbrachte), finde ich wunderbar. Denn oft genug bringen ja auch schlichteste Samenkörner wunderschöne Gewächse hervor, und Pflanzen, die man in der Kälte gestorben wähnte, erwachen zu neuem Leben. Warum also sollte das im „Seelengarten“ anderes sein? Also beginne ich mutig zu harken.



Frühe Kindheit. Was tummelt sich da im Garten? Tiere, die man liebt. Pflanzen, die einen begeistern. Ein Herz voller Zuversicht, Vertrauen, nur das Gute sehen und Gutes erwartend, noch unbehelligt von der Grausamkeit der Welt. Dann: Im Kindergarten dieses Mädchen, das mich immer verprügelte, obwohl ich nichts getan hatte, sondern einfach nur da saß. Bis dahin hatte ich gelernt: Man wird geschlagen, wenn man Böses getan hat. Ich hatte aber nichts Böses getan. Ich saß da. Trotzdem Schläge. Das frischgemalte Bild zerrissen, die Jacke auch. Die Sandburg, in die ich hingebungsvoll Zinnen und Gräben zog, vertieft ins Spiel: Zerstört unter prasselnden Schaufelschlägen, die auch schmerzhaft meine Hände trafen, mein Weinen Benzin im Feuer. Die Kindergärtnerin? „Ja, dann wehr dich doch!“
Gelernte Lektionen: Es gibt geborene Sadistinnen. Es gibt Gleichgültigkeit. Sich-nicht-Wehren ist schlimmer als Schlagen. Und Gott mag Gutes mit Gutem vergelten, Böses mit Bösem: Die Welt tut es nicht.


In der Schule ähnliches Spiel, mein Versagen an der Blockflöte, die Lehrerin, die Musik und katholische Religion unterrichtete, voller Hass. „Kannst du dich nicht wenigstens ordentlich kämmen, wenn du schon sonst nichts kannst?“ Wir kamen vom Schwimmen; ein Reißen an den zerzausten Haaren, das böse, flache Vollmondgesicht der Lehrerin über mir mit der Aura und Wärme eines Kreissägenblattes, die verhasste Flöte vor mir. Den katholischen Mädchen steckte sie manchmal Süßigkeiten zu, aber auch nur den hübschen. „Du siehst aus wie ein Engel“ sagte sie dann, und drehte die blonden Löckchen der so Verehrten um die Finger der einen Hand, während die andere ein Bonbon in das Engelsmündchen schob. Die anderen bekamen nichts, und ich obendrein eine Drei in Musik, meine bislang mieseste Note.

Gelernte Lektionen: Ein Christenmensch ist nicht zwingend ein guter Mensch. Frauen sind nicht netter, mitfühlender oder mütterlicher als Männer. Wenn man schön ist, wird man geliebt: Und nur dann. Blockflöten sind des Teufels.


So lächerlich das alles heute klingen mag, wenn es von einem erwachsenen Mann kommt: Die Erinnerung daran fällt schwer, dennoch. Was aber nun Gutes daraus mitnehmen, welches Pflänzchen nähren? 
Erschien mir die spontane Rückschau zunächst nichts als düster, so sehe ich es plötzlich doch sehr deutlich in der Ecke des verhassten Klassenzimmers blühen: Es gab etwas, das mir Licht brachte, und lebenslang Licht bleiben sollte. Versagte ich zwar an der Blockflöte, so lernte ich dafür aber schneller Lesen und Schreiben als alle anderen. Bücher wurden meine Freunde, ebenso wie die eigenen Geschichten in meinem Kopf, die ich zu Papier brachte, in Worten oder Bildern.



Der nächste Lebensabschnitt. Die Jugend und das Erwachen erotisch-romantisch konnotierter Liebe. Die erste Begegnung mit einem Schmerz, dessen Brutalität ich nicht einmal am Rande meiner Vorstellungskraft hatte: Liebeskummer. Das Wissen um die eigene Andersartigkeit, wenn auch noch ohne Namen. Das Suchen und Nicht-Finden eines Platzes in dieser Welt, Dunkelheit, Verzweiflung.
Nein — hier schalte ich meine innere Nachttischlampe an, um dieses Monster zu vertreiben: Es war nicht schön. 
Ich reiße mich fort aus der Tiefe meiner Erinnerung, zurück an den Strand. Lachmöwen balgen sich um einen Krebs. Algen polstern den Rand des Priels mit grünem Belag. In der Ferne das Leuchtfeuer von Norderney: Ich bin hier. Alles ist gut. 
Was aber nun auch aus dieser Zeit nähren und hegen? Auch hier rankt die Blume der Literatur empor, das Malen dazu, sowie die Aneignung von Wissen — tatsächlich: Ich lernte gern. Nur die Menschen verstand ich nicht, mich eingeschlossen.

Die nächsten Lebensabschnitte: Viele Experimente, viel Irren. Ein bisschen Scham, ein bisschen: Ach, naja. Der Seelengarten gewinnt an Struktur, Beete zeichnen sich ab, Wege. Der Hauptweg plötzlich so klar zu erkennen, als wäre er frisch ausgestreut mit hellen Muscheln. Doch das Tor, was es vor diesem Weg zu überwinden gilt, ist hoch und von Stacheldraht umzäunt. Ich reiße mich blutig daran, mich aufbäumend, dann fallend, aber schließlich: Auf der anderen Seite. Die ersten Meter auf dem neuen Weg bin ich so nackt wie nie zuvor. Jeder sieht es, das Blut, die Narben. Aber ich finde neue Kleidung, die mir passt. Es geht voran. Links und rechts des Weges gewinnen die Stauden an Kraft. Bäume beugen beschützend ihre Kronen über mich, zu hohen Kathedralen wachsend, in denen ich erst mich selbst, und dann Gott wiederfinde. Am Ende der Baumkathedrale öffnet sich der Blick aufs Meer: Ich bin zuhause, endlich.
Gelernte Lektionen: Es lohnt sich doch, das Leben.


Psalm 147 wird gelesen, mir bis dahin — nach jahrzehntelanger Kirchenabstinenz — unbekannt. „ER schafft deinen Grenzen Frieden.“

Es ist der schönste Satz, den ich seit Langem hörte. 
Genau so ist es, denke ich: Das ist mein Jetzt, mein Glück, meine Heimat. Es herrscht Frieden an den Grenzen. An denen, die ich überwand, aber auch an jenen, die noch da sind. Sie ängstigen mich nicht mehr. 
Ein großes Gefühl durchflutet mich mit so ungeahnter Wucht, das ich fast zu Taumeln meine: Dankbarkeit. Liebe. 
Und sehr viel Zuversicht. 
Am Himmel reißen die Wolken auf, Schiffe auf Reede gewinnen an Konturenschärfe. Aber ich taumele nicht, sondern stehe mit beiden Füßen fest im Sand.

Eine andere Bibelstelle folgt, in der sich Nordwind und Südwind treffen.



Um uns herum erwacht jetzt der Strand, erste Urlauber kommen, die Surfschule wirft ihre Bretter in den Priel. „Ih, das ist ekliger Dreck hier“, schreit ein Kind, „Das ist nicht eklig, das ist nur Schlick!“ erwidert der Lehrer, und ich bin dankbar, dass er die Kinder keine Abscheu vor der Schöpfung lehrt.

So ist das vielleicht auch mit den Teilen unseres Lebens, die wir verabscheuen und für die wir uns schämen, denke ich. Man meint: Es ist ekliger Dreck, der einen für immer besudelt, aber in Wirklichkeit kann man das meiste davon abwaschen, sogar nach Jahren noch. Man meint, man stecke fest auf immer und ewig, aber meistens gibt es dann doch Menschen, die einem die Hand reichen; die einem zeigen, wo in all dem Alltagsgestrüpp noch die Blumen zu finden sind, und die einen motivieren, nicht müde zu werden bei der Gartenpflege.

Als wir das Vaterunser beten, erscheinen wir ein wenig wie aus der Zeit gefallen, wie wir dort stehen, die Worte sprechend und ansonsten schweigend, während alles um uns schon lärmt. Es mag auf Außenstehende farblos wirken; vielleicht sogar trist, dieses Häuflein Pilgernder dort am Strand. Aber der Garten in meinem Inneren blüht in schönsten Farben, und durch die Dächer der Baumkronen fällt Licht.

DSCI0096