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Der Kerl mag Katzen und Karneval, denke ich, ich hätte wissen müssen, dass das nichts wird. Und doch erinnere ich mich, wie stolz ich war; wie sehr ich mir geradewegs auf die Schulter klopfte dafür, dass es mir endlich einmal gelungen war, meine Ansprüche herunterzuschrauben. Dass ich heroisch Katzen und Karneval tolerierte, weil in der anderen Waagschale dafür schöne Haare, schönes Schriftdeutsch und eine Querflöte lagen.
Denn ist die Sache mit den Ansprüchen nicht stets die erste, welche einem als notorischer Junggeselle zum Vorwurf gemacht wird? „Du hast zu viele Ansprüche“ ― So tönt es doch allerorten.
Natürlich verneine ich das in der Regel. Durchaus habe ich gewisse Idealvorstellungen. Aber der einzige, wirklich nicht verhandelbare Anspruch ist lediglich dieser: Ich will in den potentiellen Lebensabschnittsgefährten verliebt sein. Und von welchen Faktoren mein Hormonhaushalt das wiederum abhängig macht, kann ich nicht beeinflussen.
Tatsächlich ist es auch so: Ich kenne viele Männer. Darunter auch viele, die schön, intelligent, eloquent, musisch veranlagt, kreativ, sinnlich, und, und, und sind. Trotzdem verliebe ich mich nicht in jeden davon. Ich weiß nicht, welches Quäntchen „Gewisses Etwas“ letztlich dazu führt, dass ich jemanden nicht nur bewundere und gern habe, sondern ihn mir auch als Partner vorstellen könnte.
Dennoch entspricht das mit dem einzigen Anspruch nicht ganz der Wahrheit, auch wenn ich das gerne behaupte. Es gibt sie ja doch, diese Liste im Kopf, die ich im Geiste bei jedem Kennenlernen abhake, und vermutlich bin ich nicht der Einzige, der das macht. Was ich inzwischen sicher weiß, ist außerdem das: Die „Ansprüche“ werden nicht weniger. Irgendwann weiß man halt, was funktioniert und was nicht. Erlag ich früher noch regelmäßig der Faszination des Gegensatzes, so weiß ich heute: Der Mann sollte mir möglichst ähnlich sein. Nicht, weil ich mich selbst so toll fände, sondern weil es einfach am wenigsten Konfliktpotential birgt, wenn die im Laufe eines Lebens zugeflogenen Meisen möglichst miteinander kompatibel sind. Aber natürlich muss man auch immer Kompromisse machen.
Und so strich ich also auch beim letzten Mann bisherige Ausschlusskriterien (hier: „Über 1,80m“, „Katzen“ und „Karneval“) von meiner Liste, und wandte mich dafür jenen Eigenschaften zu, von welchen ich mir Ausgleich erhoffte.
Es hat trotzdem nicht funktioniert, und rückblickend überwiegt dann doch die Unsexiness der Karnevalssache und dass ein Leben mit Mann und Katze zwar möglich, aber sinnlos gewesen wäre. Kurz: Ich bin drüber weg.
Und nun stehe ich da und füge all diese Dinge der No-go-Liste wieder zu, wohl wissend, dass es im Grunde absurd ist:
Denn selbst wenn ich nun einen mir ähnlichen, also ähnlich großen, ähnlich bekloppten, ähnlich kreativen Mann mit ähnlichem Geschmack in Kleidungs- und Ernährungsfragen fände, der obendrein Karnevalshasser und Hundefreund ist, so wäre auch das noch lange keine Garantie dafür, dass daraus etwas würde. Nicht nur, weil die Gefahr bestünde, dass ich mich trotz perfekter Voraussetzung nicht verliebe, sondern vor allem, weil Liebe (oder auch nur eine erotisch konnotierte Zuneigung) nunmal nicht zwingend auf Gegenseitigkeit beruht. Was nützte es also, wenn ich den Mann perfekt fände, aber er mich nicht?
Mit etwas Verwunderung stelle ich fest, dass mich dieses Thema ausgerechnet an Altweiberfastnacht beschäftigt. Alaaf? ― Am Arsch!
Zum Glück herrscht auf Langeoog aber auch im Narrensektor paradiesische Ruhe: Es gibt lediglich einen unauffälligen Kinderkarneval und ansonsten geht der Insel das Treiben am Ostende vorbei.
Ich indes lasse mich heute durch die noch regennassen Straßen treiben, gegen den Wind gelehnt, während gewaltige Altocumulusfelder am Himmel einen Rest Blau umrahmen. Die sich gelegentlich Bahn brechende Sonne wärmt bereits fühlbar. Am Fuße der Hecken und Bäume gruppieren sich erste Schneeglöckchen: Es geht voran mit dem Frühling.
Es wird mein viertes Jahr auf Langeoog.
Anstatt des Mannes setze ich nun die Insel in die Rückschau.
Auch hier gibt es natürlich Schatten in all dem Licht. Für manche Ereignisse ist „Schatten“ sogar ein unerträglicher Euphemismus, vielmehr sind diese Dinge von so brachialer Hässlichkeit wie Pissflecken im Neuschnee. Aber irgendwann fällt der nächste Schnee darüber, und alles ist wieder weiß. Oder der Schnee schmilzt, und Frühlingsgrün tritt an seiner statt. Die Liebe ist jedenfalls geblieben, jenseits jeden Zweifels.
Jeder Blick, den ich über die Insel schweifen lasse, jeder Gedanke daran, jede ziepende Sehnsucht nach diesem herrlichen Fleckchen Erde, wenn ich unterwegs bin, führt es mir wieder vor Augen: Es ist richtig, dass ich hier bin.
Was Langeoog betrifft, so gibt es keine Not zur Modifikation von Ansprüchen, weil jeder Maßstab, den ich an die Insel läge, ohnehin immer wieder übererfüllt würde. Die Insel ist und bleibt ein tägliches Geschenk.
Und irgendwann, denke ich, gibt es auch wieder jemanden, dem ich einen Teil davon weiterschenken will, und der das auch annimmt. Der die Insel ebenso liebt wie ich. Der ihre Strände nicht als Begrenzung sieht, sondern erkennt, dass gerade dieser Mikrokosmos den Blick in so unendlich viele neue Richtungen lenken kann.
Und vielleicht ist dieser Mensch dann ja tatsächlich einmal so toll, dass es sogar trotz Katze funktioniert. Nur mit dem Karneval ― da wäre ich mir jetzt wirklich nicht sicher.


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